Christa Wolf


Einblicke in ihr Leben

Christa Wolf wurde am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe geboren und besuchte die dortige Schule. Ihre Eltern Otto und Herta Ihlenfeld waren Kaufleute.
Die Familie musste vor der Roten Armee fliehen und kam so 1945 nach Mecklenburg, wo Christa Wolf in Gammeln bei Schwerin die Oberschule besuchte. Ihr Abitur machte sie dann allerdings 1949 in Frankenhausen in Thüringen. In Jena und Leipzig begann sie daraufhin ein Germanistikstudium. Außerdem trat sie im Jahre 1949 in die SED ein, in der sie bis ins Jahr 1989 auch blieb.
1959 heiratete sie den Schriftsteller Gerhard Wolf, mit dem sie zwei Kinder bekam, das erste 1952 und das zweite im Jahr 1956.
Christa Wolf arbeitete von 1953 bis 1957 als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Schriftstellerverbandes, außerdem ab 1956 als Lektorin des Verlages „Neues Leben“ in Berlin und in den Jahren 58/59 als Redakteurin der Zeitschrift „Neue deutsche Literatur“.
Anschließend lebte sie mit ihrer Familie in Halle und arbeitete dort beim „Mitteldeutschen Verlag“ als freie Mitarbeiterin.
Ihr erster größerer Erfolg war der Roman „Geteilter Himmel“ im Jahre 1963, der ein Jahr später verfilmt wurde und für den sie den „Heinrich-Mann-Preis“ gewann. Auch politisch ging es zunächst voran, denn sie wurde Kandidatin des Zentralkomitees der SED. Nach einer kritischen Rede wurde sie davon allerdings ausgeschlossen.
Daraufhin feierte sie aber weitere Erfolge mit ihren Werken, denn nachdem sie durch ihren Roman „Nachdenken über Christa T.“ fester Bestandteil der Literaturszene war, wurde sie unter Anderem Teil der „Akademie der Künste der DDR“, hielt Gastvorträge im Ausland wie zum Beispiel in den USA, Schottland, der BRD, Italien und in der Schweiz und zudem wurde sie mit dem „Georg-Büchner-Preis“ 1980 ausgezeichnet. Sie war ebenfalls an den Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns beteiligt, was zu ihrem Ausschluss aus dem Schriftstellerverband der DDR führte und ihr ein Parteiverfahren einbrachte. 1987 erhielt sie trotzdem den „Nationalpreis I. Klasse“ der DDR.
1989 tritt Christa Wolf aus der SED aus, bleibt aber Gegnerin der „Vereinnahmung“ durch die Bundesrepublik und setzt sich für die „Veränderungen aus dem eigenen Land heraus“ ein.
Durch den Wirbel um ihre Person zieht sie sich aus der Politik zurück. Später stellt sich heraus, dass sie kurze Zeit als IM für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat, allerdings schnell wieder entlassen wurde, da man mit ihrem zu positiven Berichten nicht zufrieden war. Akten, die mit dieser Zeit in Verbindung gebracht werden und auch Akten, über ihre Person selbst wurden später veröffentlicht.
In der Zeit nach der Wiedervereinigung war Christa Wolf weiterhin schriftstellerisch aktiv und veröffentlichte Sammlungen, die ihren Umgang und ihre Empfindungen mit der Zeit nach der Wende widerspiegelten.
Am 1. Dezember 2011 verstirbt Christa Wolf nach schwerer Krankheit in Berlin.

Nachdenken über Christa T

Pressezensur, Druck der SED, die nur lesen will, was nicht gegen sie gerichtet ist, Überwachung, scharfe Kritik – all das prägte das Leben eines Schriftstellers in der DDR. Wie war denn da überhaupt noch eine freie Meinungsäußerung möglich, die nicht gleich antisozialistisch oder staatsfeindlich wirkt? 
Die ganze Sache ist also sehr kompliziert, da stimmen sie mir sicher zu, aber dennoch gelang es Christa Wolf, ihr Buch „Nachdenken über Christa T.“, noch 1968 entstanden, bevor die Zugeständnisse Honeckers kamen, zu veröffentlichen. Haarscharf ging es an der Pressezensur vorbei, da es immerhin noch ansatzweise sozialistische Inhalte verkörpert, da es zu keiner Ausbürgerung kommt und diese Option bei den Charakteren gar nicht zur Sprache kommt. Allerdings fällt uns heute schnell auf, dass durchaus Anspielung enthalten sind, die die Gutachter damals nur nicht erkannten. 
Christa Wolf war dennoch nie eine wirkliche Gegnerin des Sozialismus, sodass man im Vergleich eher weniger auffällige Stellen finden kann. Nichtsdestotrotz entnimmt man ihren Werken starke Eindrücke in das Leben und die Probleme der Menschen während des Ost-West-Konfliktes.


Inhalt:

Die Erzählerin des Buches und Christa T. lernen sich schon 1943 in einem Dorf in der Nähe von Berlin kennen, damals beide noch sehr jung und auch nach dessen Tod treue Anhänger Hitlers.
Allerdings verlieren sich die Mädchen 1945 aus den Augen und treffen sich erst sieben Jahre später bei ihrem Pädagogik-Studium in Leipzig wieder. Natürlich hat sich in der Zeit viel verändert und so auch die beiden.
In diesen Jahren des Studiums geschehen so unterschiedliche Dinge. Christa T. schreibt viel und ist eher introvertiert, lebt in ihrer eigenen Welt. Sie verlässt ihre Studienfreunde, kommt aber stets wieder. Dass sie auch eher realitätsfremd erscheint, mag daran liegen, dass sie und die anderen Studenten viel von einer besseren, perfekten Zukunft träumen. Diese Träume lösen sich allerdings später langsam auf und sie müssen sich alle bewusst werden, dass es doch nur Fantasien sind.
Christa T. beendet ihr Studium, wird zunächst Lehrerin, findet in diesem Beruf allerdings keine Erfüllung und gibt ihn später auf. Sie heiratet den Veterinär Justus und bekommt mit ihm mehrere Kinder. Später beschließen die beiden, aufs Land zu ziehen, wo sie des Öfteren schon auf Besuch waren und wo Justus als Tierarzt arbeitet. Dort bauen sie ein Haus, was für damalige Zeiten große Anstrengungen bedeutete und führten ein eher normales Leben, was in gewisser Weise eher ein Widerspruch zu Christa T. ist, die eindeutig aus der trägen Masse der DDR-Bürger, die mit ihrer Einheitspartei, ihren Organisationen und zu erfüllenden Erwartungen eher weniger individuell erscheinen, heraussticht. Das, ohne aber großartig aufzufallen.
Christa T. begeht später einen Seitensprung mit einem Jagdfreund Justus', was allerdings nicht zu einer Trennung führt, denn Christa wird erneut schwanger von ihrem Ehemann und sie bekommen ihr drittes Kind – eine Tochter.
Christa T. leidet zudem an Leukämie und an einer seltenen Art der Blutarmut, was sie dazu zwingt, viele Medikamente zu nehmen. Aufgrund dieser Krankheiten stirbt sie bereits nach siebenjähriger Ehe, kurz nach der Geburt ihres dritten Kindes im Jahre 1963.
Erst nach ihrem Tod beginnt nun die Erzählerin sozusagen über Christa T. „nachzudenken“. Die Verstorbene hinterlässt nicht nur einige Lücken, sondern auch eine Reihe an Aufzeichnungen und schriftstellerischen Werken.

 
Leserbrief zum Buch:

Wir haben Sie, wie Sie vielleicht wissen, in der letzten Ausgabe des „Kultur-Aktivisten“ gebeten, uns in einigen Leserbriefen, Ihre Meinung zum Buch „Nachdenken über Christa T.“ und zu der Thematik der heutigen Ausgabe zu schreiben. Hier sehen Sie nun einen ausgewählten Brief unserer Leserin Gerda Müller.

Vielen Dank, für Ihr fleißiges Antworten.

„Liebe Redaktion des Kultur-Aktivisten,

auch ich habe damals das Buch Nachdenken über Christa T. gelesen und bin selbst heute noch so beeindruckt davon, dass ich beschlossen habe, an ihre Zeitung zu schreiben.
Zunächst einmal habe ich mich gewundert, dass Christa Wolf mit diesem Buch durch die Pressezensur gekommen ist, denn auch ich habe in diese Zeit miterlebt. Ich wohnte damals in Ost-Berlin und man erinnert sich ja sehr gut, was man damals so zu lesen bekam.
Ich selbst habe mich erst 1973 an das Buch gewagt, nachdem mit Honecker solche Werke wie eben Nachdenken über Christa T., Die neuen Leiden des jungen W. oder eher weniger sozialistisch akzeptierte Gedichtbände von diversen Autoren mehr Aufmerksamkeit erlangten und es überhaupt erst möglich wurde, solche Werke zu bekommen. Natürlich waren dies keine, die sich wirklich extrem gegen den Sozialismus aussprachen, aber immerhin welche, die auch ein etwas anderes Denken andeuteten. Ich persönlich habe mich damals unter Ulbricht kaum getraut, solche Bücher zu lesen, denn man wusste ja nie, wer es einem negativ auslegen würde, weswegen ich und andere meiner Bekannten es erst weit nach der Veröffentlichung in die Hände nahmen.
Dennoch muss ich sagen, dass Christa Wolfs Figur Christa T. ähnlich wie Edgar Wibeau eine herrliche Ablenkung zum Alltag waren, denn die beiden passen nicht in die sozialistische Welt. Es funktioniert einfach nicht. Die Monotonie des Alltags, der Zwang, in die Form des Sozialismus zu passen, all das waren Probleme, die jene Freigeister beschäftigt haben, die trotz der strengen Überwachung und der Pressezensur unter uns weilten. Das Leben der Christa T. hat mich gefesselt, obwohl man nicht sagen kann, dass es abgesehen von ihrer schlimmen Krankheit sehr speziell abläuft. Schule, Studium, Heirat, Kinder, Tod. Aber was das Besondere ist und was einem erst so richtig bewusst wird, nachdem man aus der Zeit heraus ist, was dem Buch Aktualität verschafft, ist eben dieses Ausbrechen aus der homogenen Masse, die wir alle damals abgegeben haben und die auch in anderen Teilen der heutigen Gesellschaft durchaus zu erkennen ist.
Zugegeben, Christa T. ist keine Heldin, aber sie sticht eben aus dieser trägen Masse heraus. Sie passt nicht hinein. Sicher, nicht nur der Sozialismus findet in dem Buch seinen Platz, es sind viele andere Dinge, die im Leben der Hauptfigur eine Rolle spielen, die andere menschliche Probleme nahebringen, aber mich, und ich denke auch viele andere Leser, fasziniert eben besonders, dass Christa T. so mysteriös wirkt, so versunken in ihrer Welt, die eben nicht wirklich in die Fesseln des Sozialismus eingefangen werden konnte. Sie erinnert uns an etwas, dass wir damals nicht verstanden haben, aber dass wir heute sehr gut verstehen. Der Wunsch nach Freiheit.
Nicht zu leugnen ist natürlich auch, dass es einem unwillkürlich nahe geht, wenn eine solche Figur dann in einem wirklich jungen Alter an einer Krankheit verendet. Aber dieser Tod passt zu ihr, nicht anders hätte Christa Wolf ihre Geschichte beenden können, denn Krankheiten sind unberechenbar, nicht kontrollierbar, wie es unsere Gedanken auch sind und wie es Christa T. wohl immer gewesen ist.

Vielen Dank, Gerda Müller aus Berlin“